
Über das Gedicht „Verlorene Seele“
Das Gedicht Verlorene Seele ist ein Ausdruck meiner Auseinandersetzung mit der Armut und der Obdachlosigkeit, die täglich vor unseren Augen existieren. Oft sehe ich Menschen auf der Straße, die ihr Leben im Schatten der Gesellschaft fristen, und frage mich, wie wir als Gesellschaft mit ihnen umgehen. In der Theorie wissen wir, dass Armut und Obdachlosigkeit drängende Themen sind, aber in der Praxis haben viele von uns Berührungsängste, mich eingeschlossen.
Es ist nicht Abscheu, die mich zurückhält, sondern ein gewisses Unwohlsein – die beunruhigende Erkenntnis, dass das eigene Leben genauso schnell kippen könnte. Die Vorstellung, plötzlich ohne Zuhause und ohne Perspektive dazustehen, ist beängstigend. Und doch fühlt es sich oft so an, als würden wir diese Menschen als „anders“ wahrnehmen, als „abgehängt“, als Teil einer Realität, die uns nicht betrifft.
Ich frage mich oft: Wie kann ich diesen Menschen begegnen, ohne mich überheblich zu fühlen? Wie kann ich helfen, ohne das Gefühl zu haben, sie in irgendeiner Weise zu entmündigen oder ihnen bloß „Almosen“ zu geben? Diese Unsicherheit spiegelt sich in diesem Gedicht wider. Verlorene Seele ist eine Konfrontation mit diesen Gefühlen – mit der Frage, warum wir wegsehen und warum es uns so schwerfällt, eine menschliche Verbindung zu jenen herzustellen, die am meisten Hilfe benötigen.
Es ist ein Versuch, uns als Gesellschaft aufzufordern, uns der Realität der Obdachlosigkeit zu stellen, ohne zu urteilen, sondern mit Empathie. Es ist auch eine Einladung, sich den eigenen Ängsten zu stellen und zu überlegen, wie wir auf eine Weise helfen können, die wirklich zur Würde des anderen beiträgt, ohne uns von unserer eigenen Unsicherheit lähmen zu lassen.
Verlorene Seele
Dort sitzt ein Mann in alten Decken,
dem Schicksal einfach so ergeben.
Sein Körper übersät von Flecken,
er fristet dort im Schmutz sein Leben .
Verlassene Seele die niemandem traut.
Verratene Träume, die Zukunft verbaut.
Verlorene Würde, so kraftlos und matt.
Vergessene Hoffnung inmitten der Stadt.
Die Trauer zeichnet sein Gesicht.
Oh nein, sein Leid wollt ihr nicht seh’n.
Ihr schaut nur weg und helft ihm nicht.
Habt ihr denn Angst vor alledem?
Verlassene Seele die niemandem traut.
Verratene Träume, die Zukunft verbaut.
Verlorene Würde, so kraftlos und matt.
Vergessene Hoffnung inmitten der Stadt.
Verloren in der großen Stadt.
Doch weshalb sitzt der denn noch hier?
Ja, solchen Abschaum habt ihr satt.
Ihr nennt ihn Abschaum. Was seid ihr?