
Über das Gedicht „Ungesagt“
Das Gedicht „Ungesagt“ ist für mich ein Ausdruck eines wiederkehrenden inneren Konflikts, den wahrscheinlich viele kennen: Gedanken, die im Kopf klar und lebendig sind, verlieren oft an Kraft oder verschwinden ganz, wenn sie laut ausgesprochen werden sollen. Besonders in Gesprächen oder vor Menschengruppen habe ich das Gefühl, dass meine Worte oft nicht die Tiefe oder Klarheit erreichen, die ich in meinem Inneren empfinde. Ich finde die passenden Worte schriftlich viel leichter – sie fließen geordnet und kontrolliert, wohingegen das spontane, mündliche Sprechen eine gewisse Unberechenbarkeit mit sich bringt, die mich hemmt.
Es ist ein merkwürdiges und frustrierendes Gefühl:
Während die Gedanken sich in mir klar und präzise anfühlen, scheint der Versuch, sie in Worte zu fassen, eine Barriere mit sich zu bringen. Gerade wenn ich in einer wichtigen Situation, wirklich etwas ausdrücken will, scheine ich oft aus Sorge vor Missverständnissen oder Ablehnung zurückzuschrecken. Der Zweifel über die richtige Formulierung oder die Angst, mich unklar auszudrücken, blockiert meine Worte – und so bleibt vieles, was ich gerne gesagt hätte, „ungesagt“.
Das Gedicht fängt für mich diese Sprachlosigkeit ein, die paradoxerweise genau dort entsteht, wo Worte doch so wichtig wären. Es geht in den Zeilen also nicht nur um das persönliche, individuelle Gefühl, sondern auch um eine allgemeine Wahrheit über Sprache und Kommunikation: Die Kluft zwischen dem, was wir empfinden, und dem, was wir mitteilen, kann tief sein. Es ist eine universelle Erfahrung, dass Sprache nie vollkommen unsere Gedanken abbilden kann – und oft genug scheitert dieser Versuch an unseren eigenen Unsicherheiten.
Mit „Ungesagt“ möchte ich auch das Bedauern ausdrücken, das nach solchen Momenten aufkommt. Wie oft habe ich nach einem Gespräch das Bedürfnis, die Zeit zurückzudrehen, um bestimmte Dinge deutlicher oder überhaupt auszusprechen. „Warum hast du das nicht gesagt?“ – dieser Gedanke verfolgt mich oft im Nachgang solcher Situationen.
Das Gedicht soll anderen, die vielleicht ähnliche Hemmungen kennen, Mut machen. Es ist eine Erinnerung daran, dass es völlig in Ordnung ist, dass nicht jeder Gedanke perfekt in Worte gefasst werden kann, und dass das, was wir „ungesagt“ lassen, trotzdem eine Bedeutung hat – für uns selbst und oft auch für andere. Diese Zeilen sind daher eine Einladung, geduldiger mit uns selbst zu sein und uns selbst zu erlauben, auch dann zu sprechen, wenn Zweifel oder Angst uns dazu bringen wollen, zu schweigen.
Ungesagt
Gedanken wären gern im Land,
so wie das Wort, stark und bekannt.
Das Wort hingegen wünscht es sei,
wie die Gedanken, klar und frei.
So fliehen die Gedanken fort.
Gelähmt vom Zweifel schweigt das Wort.
Doch weil das Wort zu oft verzagt,
bleibt manch Gedanke ungesagt.