
Über das Gedicht „Erwachen“
Ursprünglich wollte ich mit diesem Gedicht die Schönheit des Verfalls und die besondere Atmosphäre verlassener Häuser einfangen. Diese Häuser, die von der Natur zurückerobert werden, zeigen den langsamen Prozess des Verfalls, in dem sie mit der Natur verschmelzen, bis sie schließlich vollständig in ihr verschwinden. Ihre Schönheit liegt für mich in der stillen Pracht, die diese Gebäude trotz oder gerade wegen ihres Verfalls ausstrahlen – als ob sie in einem letzten, langsamen Tanz mit der Natur verweilen, bevor sie gänzlich verschwinden.
Doch als ich mit dem Schreiben begann,
nahm das Gedicht eine unerwartete Wendung. Es schien, als würde die Geschichte versuchen, sich selbst zu erzählen. Die anfängliche Idee, die Schönheit des Verfalls zu beschreiben, trat in den Hintergrund, und das Gedicht entwickelte sich zu einer Reflexion über den inneren Verfall von Erinnerungen, das Altern des Selbst.
Das Öffnen der Tür
im Gedicht symbolisiert ein kurzes, flüchtiges Erwachen. Es steht für den Moment, in dem Erinnerungen für einen Augenblick an die Oberfläche treten. Dieser Moment ist wie ein kurzer, klarer Blick in die Vergangenheit. In diesem Moment tritt die Frau im Raum als Symbol für die Erzählerin hervor. Sie steht inmitten von Vergangenem, doch die Erinnerung an ihre eigene Geschichte ist verblasst und fragmentiert.
Am Ende, in einem letzten Moment der Klarheit, erkennt Erzählerin ihre eigene Vergänglichkeit. Sie versteht, dass sie selbst Teil des Prozesses ist – wie das Haus, das von der Natur zurückerobert wird, ist auch sie im Wandel begriffen.
Demenz, als eine der schmerzhaftesten Formen des Verfalls, wird zu einem wesentlichen Teil der Erzählung.
Erwachen
Das alte Haus am Straßenrand,
mir ist’s, als hätte ich’s erkannt,
Es war dem Blick der Welt verborgen.
Es lebt im Gestern, scheut das Morgen.
Es macht sich Sehnsucht in mir breit.
Ich sehn‘ mich nach Vergangenheit.
Ein sanfter Druck, die Tür springt auf,
es scheint als lebt es, dieses Haus!
Im tiefen Schlaf, der Zeit entrückt,
doch nun erwacht es Stück für Stück.
Verblasste Bilder an der Wand,
erscheinen seltsam mir bekannt.
Verwelkte Blumen auf dem Tisch,
gerade schienen sie noch frisch.
Und dort am Fenster steht in grau,
so wie versteinert eine Frau.
Ein Trugbild nur! Das ist mir klar,
ich sehe, wie es damals war.
Musik durchströmt nun sanft den Raum,
es fühlt sich an, so wie ein Traum.
Mein Blick in die Vergangenheit
erweckt den Glanz der alten Zeit.
Nun höre ich, die Menschen lachen,
und sehe, wie sie Späße machen.
Die Frau, die zu mir rüber schaut,
sie scheint mir fremd, doch auch vertraut.
Sie blickt zu mir, in mich hinein,
mit einem Blick so kalt wie Stein.
Und plötzlich spür‘ ich tiefen Schmerz,
Gewissheit, sie durchströmt mein Herz.
Denn jetzt erkenn‘ ich es genau:
Das bin ja ich, die alte Frau!