Bitter – Ein Gedicht über Leid, Hass und die Hoffnung auf Mitgefühl

Bitter- Ein Gedicht über Leid und Hass, und die Hoffnung auf Mitgefühl

Manchmal kommen die Worte ohne Einladung.
Sie schleichen sich im Halbschlaf heran, legen sich wie ein Gewicht aufs Herz
und fordern, niedergeschrieben zu werden.
So entstand dieses Gedicht – spontan, fast zwischen Traum und Erwachen.

Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich beim Schreiben meines neuen Buches
„Umbra Memoriae – Fragmente meines Seins“
mit vielen tiefgründigen Fragen beschäftigt habe –
Fragen über das Menschsein, über Verantwortung, über Schmerz
und darüber, was uns verbindet oder trennt.

Vielleicht war „Bitter“ nur eine Art Nebeneffekt davon –
ein Gedicht, das sich leise aus diesen Gedanken gelöst hat,
bevor ich selbst verstand, was es mir sagen wollte.

 

Bitter

Wir säen Leid und ernten Hass,
auf dieses Wachstum ist Verlass.
Doch diese Frucht schmeckt grauenhaft,
denn wahrlich bitter ist ihr Saft.
Drum sage ich es euch ganz schlicht:
Nein, diese Frucht, die ess ich nicht!
 
 
Erst später begann ich zu verstehen, was ich da eigentlich geschrieben hatte.
 Zuerst war da nur ein Gefühl – vielleicht eine leise Müdigkeit über all das, was Menschen einander antun.
Später kamen die Gedanken dazu. Ich fragte mich, warum wir Leid verursachen. Manchmal geschieht es bewusst – aus Machtstreben, Geltungsdrang, Berechnung oder schlicht, weil der eigene Vorteil wichtiger scheint als das Wohlergehen anderer.
Doch viel öfter passiert es unbewusst: aus Gleichgültigkeit, Angst, dem Nicht-Hinsehen oder dem Nicht-Fühlen.
 
Am Ende bleibt das Ergebnis dasselbe: Leid bleibt Leid. Es zieht Spuren, breitet sich aus und verwandelt sich in Hass.
Und dieser Hass gebiert neues Leid – ein Kreislauf, der sich selbst erhält, manchmal über Generationen hinweg
 
Bevor nun jemand meint, ich würde Hass mit Wut verwechseln

Mir ist sehr wohl bewusst, dass Hass nur das Endprodukt vieler aufgestauter Gefühle ist: Wut, Trauer, Scham, Angst, Enttäuschung. Wut an sich ist etwas Natürliches. Jeder Mensch war schon einmal wütend und wird es auch wieder sein. Sie ist spontan, lebendig – ein Zeichen dafür, dass uns etwas wichtig ist. Gefährlich wird es erst, wenn diese Wut keinen Ausdruck findet wenn sie keinen Weg hinaus bekommt. Dann beginnt sie zu gären – still, innerlich, bis sie irgendwann zu Hass wird. Hass bleibt, wenn all die anderen Gefühle überhand genommen haben.

Wenn Freude, Vertrauen und Empathie verdrängt oder zerstört sind. Dann wird Hass zum kalten Rest von dem, was einst nur ein Schrei nach Verständnis war. Für mich ist Hass das Versagen von Kommunikation.Er entsteht dort, wo Worte fehlen, wo Verletzungen ungesagt bleiben und Menschen sich innerlich voneinander entfernen.

 

Wie sich der Kreislauf von Leid und Hass durchbrechen lässt?
Ich habe mir oft die Frage gestellt, wie sich dieses Muster durchbrechen lässt.
Wie können wir verhindern, dass Menschen einander mit so viel Wut und Hass begegnen?
 
Ich glaube nicht, dass es darauf einfache Antworten gibt.
Ich habe auch keine Lösung – nur Gedanken, Hoffnungen und vielleicht eine leise Sehnsucht nach etwas Menschlicherem.
 
Vielleicht beginnt Veränderung da, wo wir aufhören, uns zu verstecken. Wo wir den Mut finden, über das zu sprechen,
was uns wirklich bewegt – über Angst, Sorgen, Verletzlichkeit. Schlichtweg über das, was wir denken und fühlen.
Dort, wo Ehrlichkeit Raum bekommt, verliert Hass seine Nahrung. Dort wächst Verständnis.
Und manchmal reicht genau das, um etwas zu verändern – klein, leise, aber echt.
 
Ein stilles Nein zum Hass

„Nein, diese Frucht, die ess ich nicht.“ Dieser Satz ist für mich kein Urteil und kein Appell. Er ist nur mein stilles Nein – gegen Gleichgültigkeit, gegen Kälte, gegen das Sich-Abfinden mit Hass.

Ich weiß nicht, ob das reicht. Vielleicht braucht es eines Tages etwas Großes, etwas Erschütterndes, das uns wieder zusammenführt.
Aber vielleicht genügt auch schon das Bewusstsein, dass wir alle verletzlich sind – und dass genau das uns verbindet.
 

Leid und Hass gehören wohl zu den Konstanten des Menschseins.
Doch vielleicht liegt unsere Aufgabe nicht darin, sie zu besiegen,
sondern sie zu erkennen – und ihnen keinen Platz in uns zu geben.

Manchmal beginnt Mitgefühl dort, wo wir aufhören, Antworten zu suchen und einander einfach nur wieder zuhören.

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